In der Schule fürs Leben lernen?
Marode Schulgebäude, häufiger Stundenausfall und am Ende studieren fast nur die Kinder von Akademiker-Eltern. Das ist die Lage im Bildungssystem in Deutschland. Warum produzieren unsere Schulen so viel Ungleichheit? Diese Frage stellen wir uns in den kommenden zwei Wochen beim Zukunftsdialog.
Können Kinder überhaupt noch Lesen?
Seit Jahren schneidet Deutschland nicht gut ab bei der Bildung – sagt die PISA-Studie, die international vergleicht, was Kinder gelernt haben. Eines der aktuellen Ergebnisse: Ein Fünftel der 15-jährigen Schüler/innen scheitert daran, den Sinn von Texten zu erfassen.
Im deutschen Bildungssystem hängt Bildungserfolg und ob man richtig Lesen lernt immer noch von der Bildung der Eltern ab. "Die große Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler bleibt die Achillesferse des deutschen Schulsystems. Auch fast 20 Jahre nach dem PISA-Schock schafft es Schule nicht entscheidend, Nachteile abzubauen, die Kinder aus dem Elternhaus mitbringen. Im Gegenteil: Der Lehrkräftemangel verschärft das Problem. Die Schere geht weiter auf", sagt Ilka Hoffmann, GEW-Vorstandsmitglied.
Schon im ersten Schuljahr meiner Tochter waren wir zu Hause dafür zuständig, Hausaufgaben zu kontrollieren und Lesen beizubringen. Was sind Ihre Erfahrungen? Erzählen Sie uns davon – unten in den Kommentaren!
Video: Straßenumfrage – Wie muss in Bildung investiert werden?
Gleiche Chancen für jedes Kind – weit gefehlt
Nach wie vor studieren fast nur die Kinder von Eltern, die selbst Akademiker sind. Von 100 Kindern aus Akademiker-Familien schaffen 79 den Sprung an eine Hochschule. Haben beide Eltern keinen Hochschul-Abschluss, sind es nur 27.
Ein weiteres Problem: Wer einen niedrigen oder keinen Schulabschluss hat, hat lange Probleme. Schon heute haben 33 Prozent der jungen Menschen mit Hauptschulabschluss im Alter von 20 bis 34 Jahren keinen Berufsabschluss. Insgesamt gibt es in Deutschland mittlerweile 2,12 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss.
Dabei haben Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund deutlich schlechtere Bildungschancen als ihre Mitschülerinnen und -schüler ohne diese Erfahrung. Sie bräuchten mehr Förderung und Unterstützung.
Bei unserer Tochter wurden diese Woche die ersten Noten verteilt. Sie erzählte, wie ein geflüchtetes Kind weint, weil es in Englisch eine 5 minus für ihn gab und er das Probejahr doch bestehen will. Die Nachhilfe muss privat passieren, Förderunterricht wird aktuell nur vom Französischlehrer angeboten. So kann es doch nicht weitergehen. Was würde helfen? Schreiben Sie uns!
Erzieher/innen und Lehrkräfte fehlen: Den Mangel verwalten
Dass Kinder kein gutes Lernumfeld haben, liegt auch an einem massiven Mangel an Fachkräften. Das fängt in der Kita an: Hier wurden viele Betreuungsplätze neu geschaffen, aber nicht genügend Erzieher/innen ausgebildet. Aktuell fehlen bereits 100.000 Erzieher/innen, 2025 werden es 300.000 sein.
An den Grundschulen sieht es auch nicht gut aus: Bis 2025 fehlen 35.000 Lehrer/innen, die Kindern die ersten wichtigen Grundlagen in Lesen und Rechen beibringen können. Um den Lehrkräftemangel zu beheben, setzen immer mehr Bundesländer auf Quer- und Seiteneinsteiger/innen, die vor allem an sogenannten "Brennpunktschulen" zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu Schulen in besseren sozialen Lagen (5 %) finden sich an Schulen in sozial nicht ausgewogenen Lagen fast doppelt so viele Quer- und Seiteneinsteiger (10 %).
Aber es fehlt nicht alleine an gut ausgebildetem Personal. Deutschlands Schulen sind marode und schlecht ausgestattet. Aktuell gibt es laut Kreditanstalt für Wiederaufbau einen Sanierungsstau von 42,2 Milliarden Euro an den Schulen in ganz Deutschland.
Die Schulen sind damit der Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, in dem die größte Lücke klafft. Noch nicht einmal im Straßenbau fehlt mehr Geld.
Unsere Tochter geht auf eine Schule in einem reaktivierten alten Gebäude. Es ist sogar so alt, dass vor einem Monat ein Fenster auf den Schulhof kippte. Die Kinder gehen jetzt durch einen improvisierten Holzanbau zum Eingang, damit ihnen nicht Fenster oder Dachschindeln auf den Kopf fallen. Wie sieht die Schule in Ihrer Nähe aus? Schreiben Sie uns hier in den Kommentaren!
Der DGB fordert folgende Maßnahmen, damit es zukünftig besser laufen kann im Bildungssystem:
- bessere Ausstattung
- mehr Erzieher/innen und Lehrer/innen
- Ausbau der Ganztagsschulen
- höhere Löhne
- Ausbildungsvergütung für alle Erzieher/innen
Mehr Informationen: Unsere Faktenblätter zu Schulen und Kitas zeigen auf, was fehlt und was politisch passieren muss, damit Bildung besser werden kann.
Kommentare
am 18. Nov. 2020
um 17:27 Uhr
Der 2. Bildungsgang dauert in Deutschland zu lange
Ich verdiene heute gutes Geld, muss aber sagen, dass das nicht wegen dem deutschen Bildungssystem ist sondern trotz des Bildungssystems. Die Bildungsumwege für Menschen ohne Abitur dauern in Deutschland so lange,das man sich fast in Rente anmelden kann bis man da durchkommt. Auch die hohe Rate Kinderloser könnte damit zusammenhängen. In anderen Ländern ist Bildung berufsoffener,alles ist mit credit points anrechenbar und man kann sich leichter umschulen und weiterbilden. Bildung hat in Deutschland keine Priorität, sondern viele Leute sollen sich in Deutschland ja gar nicht bilden dürfen. Auch hat niemand das Recht Menschen in einem Beruf regelrecht festzuzementieren. Lebenslanges Lernen ist in Deutschland doch ein Fremdwort. Für mich ist es zu spät,meine Bildungsbiographie wurde von diesem Land nachhaltig versaut und ich hab Einkommen verloren dadurch. Um die jungen Leute tut mir es leid, vor allem um jene die in Billigausbildungen gedrängt werden und spätere Billigjobs. Es ist auch eine Schande das in diesem Land nur Gymnasiasten als Menschen erster Klasse zählen und alle anderen nur als der doofe Rest und in der Schule schon behandelt wird ,als sei man minderbemittelt. Danke für nichts! Ich verdiene heute Steuern und Geld trotz eurem miserablen Bildungswesen und nicht deswegen.
am 20. Nov. 2020
um 15:58 Uhr
Muss denn heute jeder studieren
Ich bin der Meinung, dass nicht jeder studieren muss. Wir brauchen auch gute Facharbeiter*innen und auch gute Handwerker* innen (* nur das sich keiner benachteiligt fühlt). Aber leider werden diese Personen in unserer Gesellschaft immer noch als Personen 2.Klasse behandelt. Dabei sind diese Leute genau so wertvoll, wie jeder mit einem höheren Bildungsabschluss. Personen mit Hauptschulabschluss, können auch auf den 2. Bildungsweg viel erreichen und sind teilweise viel sozialer eingestellt, wie „hochstudierte“. Aber wie ist es denn heute bei der Bewerbung, da wird ein Abi verlangt, was auch ein mit guten Realschulabschluss möglich wäre, bzw. Bei Realschulabschluss ein guter Hauptschulabschluss. Darüber sollte mal nachgedacht werden.
am 21. Nov. 2020
um 08:28 Uhr
gleiche "Chancen"? … stellen Sie sich mal auf ihre Tische
Unser System krankt an der Vorstellung, dass Akademiker höher gestellt seine als andere. Mehr Prestige mehr Geld. Das Ziel "möglichst viele müssen studieren" sollte grundlegend überdacht werden – zugunsten einer "möglichst individuell fördern" Einstellung und der Wertschätzung aller Berufe.
Wir schaffen die Hauptschule ab und überfordern und frustrieren Kinder mit "Realschule+". Nennen, dass Bildungsgerechtigkeit und wollen doch nur Geld sparen. Wir packen 30 Kinder in eine Klasse und wundern uns, dass Schule ihren Bildungsauftrag nicht leisten kann. Eltern (gerade viele Akademiker) pushen ihre Kinder mit frühkindlicher "Förderung", "pre shool english" und Lernkursen, aus Angst vor dem vermeintlichen gesellschaftlichen abstieg.
Gerecht wäre die Wertschätzung derer, die ihre Fähigkeiten und Aufgaben voll ausfüllen. Der gute Bäcker, der fähige Elektriker, der fürsorgliche Krankenpfleger - diese Personen sollten wir fördern, und Wertschätzen. Doch unser System generiert "Akademiker" die nach Jahren des Studiums dann ihren Rollen eher schlecht als recht ausfüllen können, als Trainees verheizt werden und oft unzufrieden durch ihren Beruf gehen, da ihnen das doch so große Geld und die berufliche Anerkennung versagt bleiben.
Eventuell haben viele nicht Akademiker Eltern auch eine andere Sichtweise auf die Dinge, als die Akademiker die solchen Studien und berichte wie diesen hier schreiben. Die sagen vielleicht: Bubb, schreib deu 4 un lern Gas, Wasser, Scheiße.
Ich kenne viele arbeitslose und unzufriedene Akademiker - ich kenne keinen fähigen Handwerker, der ein leeres Auftragsbuch hat.
Sind das die "ungerecht behandelten" die aufgrund "ungleicher Chancen" nicht studieren "können" ?
am 29. Nov. 2020
um 11:53 Uhr
Studium
In ORCD Vergleich zur Zukunftsföhigkeit wird Deutschland als benachteiligt eingestuft, weil die Anzahl an Akademikern geringer ist als in anderen Staaten. Dabei werden in anderen Staaten an einschlägigen Akademien Inhalte gelehrt, die in Deutschland an Fachschulen gekehrt werden. Doch bekommen Fachschulen in Deutschland nicht den Rang einer Akademie zugeordnet .Damit wird hierzulande die Anzahl an Akademikern durch die beteiligten Interessengruppen künstlich reduziert und der OECD Vergleich wird verfälscht. Verbunden sind damit dann Einkommensverlusste von Absolventen, die sich in übernationalen Firmen mit ihren vergleichsweise abqualifizierten Abschlüssen schlechter durchsetzen können.
So entsteht Deutschland ein Druck, die sich vorgestellten Einkommensziele, mit immer höheren Abschlüssen zu erreichen.
Ein sinnloses Unterrfangen. .
am 29. Nov. 2020
um 12:18 Uhr
Lehrer und Kosten des Systems
Ich denke an verschiedene Untersuchungen die zeigen, dass ein Lehrstoff oder eine Materie dann beherrscht wird, wenn der Schüler dazu eine angenehme Beziehung aufgebaut hat. Dabei helfen dem Schüler Menschen, die sich in seine Gefühlslage beim Lernen hineinversetzen können. Wenn keine anderen verfügbar sind, dann sind es Lehrer, denen dies Aufgabe zufällig. . Ob Algorithmen die Aufgabe bewältigen können wage ich zu bezweifeln, denn die erforderliche Empathie fehlt dazu.
Menschen als Lehrkräfte werden heute aks teuer definiert. Alternative Leensrnstrkturen, mit eingeschränkter Kommunikation und automatisierten Inhalten kosten ebenfalls , sind unflexibel und nur aufwendig anzupassen. Bei Misserfolg sind sie nich teurer und die Schüler haben einen verpflichten Lebensweg.
Neuen Kommentar schreiben