DGB Esslingen-Göppingen kritisiert Airbnb
Stuttgart liegt auf Platz 3 der Großstädte mit den höchsten Mieten, das benachbarte Esslingen auf Platz 16. In Esslingen stiegen die Mieten in den letzten vier Jahren um über zwölf Prozent, zugleich schrumpfte in ganz Baden-Württemberg der Bestand an sozialem Wohnungsbau. Im Neckartal sitzen Daimler-Benz, Bosch und viele Zulieferer der Automobilindustrie. Entsprechend ist Wohnraum im gesamten Großraum knapp. Ein wichtiges Thema für den Zukunftsdialog.
Arbeits- und Lebensbedingungen in Esslingen und Göppingen werden in Strukturbericht sichtbar
Peter Schadt (Foto), Regionssekretär beim DGB Nordwürttemberg, unterstützt hauptamtlich das Engagement seines Kreisverbandes Esslingen-Göppingen, der bereits seit über zwei Jahren im sogenannten eSta-Projekt des baden-württembergischen DGB zu Strukturpolitik und öffentlicher Daseinsvorsorge arbeitet. Der Kreisverband Esslingen-Göppingen hatte sich im Rahmen des Projektes dafür entschieden, einen Strukturbericht für Esslingen und Göppingen zu erstellen. Vorangetrieben hat diese Entscheidung der Kreisvorsitzende Gerhard Frank. Für den Bericht erarbeitete der Kreisverband ein Bild der Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort. Dabei erhielten sie zahlreiche Rückmeldungen zur Wohnungslage.
"Das Thema brennt vielen Kolleginnen und Kollegen in der Region auf den Nägeln", sagt Frank. Doch es ist gar nicht so leicht, sich hier einzuarbeiten: Sein DGB-Kreisverband hatte ein Jahr lang recherchiert, um dann solide Aktionen zu den Kommunal- und Europawahlen in Baden-Württemberg auf die Beine zu stellen. Es gab drei Ziele:
- Zweckentfremdungsverbot – d. h. das Verbot normale Wohnungen gewerblich zu vermieten –,
- die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels – also eine ständig aktualisierte Übersicht der Durchschnittsmieten, die nach wissenschaftlichen Grundsätzen erhoben wird –
- und die Erfassung von Leerstand.
"Wohnungen sind heute eher Anlageobjekte als Orte zum Leben"
Besonders erfolgreich war der Kreisverband mit seiner Recherche zur Online-Plattform Airbnb und zu Zweckentfremdungen. Das Ferienwohnungsportal steht seit Jahren in der Kritik, weil hier viele Wohnungen kommerziell an Touristen vermietet werden und dadurch nicht mehr als normaler Wohnraum zur Verfügung stehen. Das DGB-Team hat auf dem Online-Portal nachgezählt, wie viele Ferienwohnungen in Esslingen und Göppingen angeboten werden, und die Ergebnisse veröffentlicht. Diese Informationen sind nicht geheim, sondern auf der offiziellen Website abrufbar. "Das kann jeder nachmachen", so Frank. Nach der Veröffentlichung meldete sich in der Göppinger Zeitung eine Sprecherin des weltweit operierenden Unternehmens zu Wort – ein großer Erfolg für den DGB. Sie bestritt die vom Kreisverband veröffentlichten Zahlen und erklärte, die meisten Wohnungen würden nur gelegentlich vermietet, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner verreist seien. Damit gab sie aber indirekt zu, dass eben doch ein Teil der Wohnungen auf Airbnb gewerblich vermietet werden: "Das war ein Eingeständnis, dass es hotelähnliche Vermietungen bei uns gibt", erklärt Schadt, und ein gutes Argument, für das Zweckentfremdungsverbot in Esslingen zu werben. Mit dem Zukunftsdialog soll jetzt auch ein bundesweites Gesetz dazu angestoßen werden.
Der Kreisverband hat auch eine Liste mit konkreten Forderungen zum qualifizierten Mietspiegel und zur Erfassung von Wohnungsleerstand erarbeitet. Damit wandte er sich an alle Fraktionen im Gemeinderat und sprach ausführlicher mit SPD, Grünen und Linken. Ein Teil dieser Gespräche wurde in einem Podcast des von Schadt mit produzierten Arbeitsweltradios der DGB-Region veröffentlicht.
Versuch, bezahlbares Wohnen durch Milieuschutz sichern
Als der Kreisverband erfuhr, dass eine große Immobiliengesellschaft einen Wohnblock gekauft hatte und nun Modernisierungen geplant waren, wollten sie gegensteuern. So überzeugten sie die Fraktion der Linken einen Antrag im Gemeinderat einzubringen, um das Gebiet unter Milieuschutz zu stellen. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, aber der Kreisverband gewann durch diese Aktion neue aktive Mitglieder. Es zeigt sich: Das engagierte Vorgehen, auch mit modernen Methoden, die der Zukunftsdialog unterstützt, zieht neue Mitstreiter an.
Gerhard Frank und Peter Schadt freuen sich darauf, das Struktur-Projekt über die Kommunalwahl hinaus weiterzuführen. "Mit dem Zukunftsdialog konnten wir unser eSta-Projekt evaluieren und schauen, was hat gut funktioniert, was hat nicht geklappt." Jetzt können sie ihr Wissen anderen Stadt- und Kreisverbänden zur Verfügung stellen. "Kopiert uns!", ermutigt Schadt.
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Foto: DGB/Thomas Range